Auf der Spur des Dings

Zu den Nagelobjekten des Michl Herberstein

Das Subjekt des Unbewußten auf der „Walz“

Vom Mittelalter bis zur Frühzeit der Industrialisierung machten sich Handwerksgesellen auf die Wanderschaft, mußten sich „verdingen“ um praktische Erfahrungen zu sammeln. Sie wurden auch Fremdgeschriebene genannt in dieser Zeitspanne. Erst nach mehreren Jahren der Walz, den Mutjahren, konnten sie sie sich an ihr Meisterstück heranwagen. Die Mutgesellen trugen eine Kluft und mußten diese, falls sie die Wanderschaft vor der Zeit abbrachen, an den Nagel hängen. Als ein Zeichen ihrer Präsenz gab es den Brauch für Gesellen einen Nagel in einen Stock – einen Nagelbaum, zu schlagen. 

Der Brauch ist ab 1715 dokumentiert. Der Wiener Stock im Eisen stammt schon aus dem Mittelalter, die ursprüngliche Funktion hatte etwas mit einer Votivgabe zu tun, ähnlich dem Brauch Münzen in einen Brunnen zu werfen.

Und Heute? Die Wissenschaft, die Allem auf den Grund zu gehen sucht, geht immer mehr das Risiko ein, mit Algorrhytmen ihrem Objekt nahezurücken um es dabei immer radikaler zu verfehlen.

Anders der Künstler, der seinem Begehren folgt…!

Aufgespürte Dinge werden befragt, mit einem ersten Nagel, vielleicht einem Notnagel, der einem Drang des Künstlers folgend seinen Ort finden muß.Vertraute Dinge, wie ein alter Holzessel  werden verfremdet, sind nicht mehr so einfach zu besitzen. Sinnlos ansprechendes Treibgut oder von der Natur zurückgelassenes erfährt eine forschende, die Materie ergründende Bearbeitung. Verlorenes Strandgut wird auf seine Konsistenz geprüft.

Auch Idealformen werden angegangen.

Eine Serie an Naglungen je Objekt. Vom ersten bis zu dem, der der letzte gewesen sein wird. 

Manche Dinge werden zart bearbeitet, schon vorhandene Strukturen akzentuiert, schmückend hervorgehoben.

Dann ergibt sich der Eindruck so manchen Rasens, eines Nagelrasens, der eine neue Hülle ergibt, fast wehrhaft, den Einblick verweigernd, Distanz einmahnend.

Die Not des Lebens trifft jeden Menschen auf singuläre Weise.

Ein Etwas, dem wir in die Sprache geworfen begegnen, treibt uns um.

Dieses Etwas bestimmt unsere Relation zu uns selbst, unserm Körper und zur Welt. Ein nie faßbares Etwas, das uns mit uns selber entzweit.

Es ist ein Unheimliches an Erregendem, das vom Nebenmenschen ausgehend seine Spuren hinterlassen haben wird.

Wir treffen unsere Wahl. Nicht mein Ding! Genau mein Ding!

Diese Relation treibt singuläre Erfindungen an und verwandelt die Erfinder, versetzt auch die Betrachter der ins Werk gesetzten rätselhaften Objekte ins Erstaunen.

Der Rang des Geheimnissvollen in seinem herausfordernden Status:

Verschiedene logische Zeiten. Pailettenkleider schimmern verführerisch. Der Rost materialisiert auf seine Weise die Zeit. Manch Rot läßt durchscheinen, dass Körper mit im Spiel sind. Oder vielmehr Körper-Teile. Sie spielen in ihrer Form auf etwas an. Das Objekt zur Würde des Dings erheben? In der Liebe rufen wir die ewigen Formen an, die sich der Eindeutigkeit entziehen. Belassene Risse geben dem Blick einen Spielraum.

Idealformen bekommen mächtigen Idolcharakter.

Dann gibt es auch einsehbare Hohlräume. Der Weg der ins Innere geschlagenen Nagelungen wird hier offengelegt, in seiner Eindringlichkeit und Verdichtung, sieht uns dieses Innere an. Knäuel von nur mit sich selbst verbundenen Nägeln stellen sich der rätselhaften Selbstbefragung.

Die Nägel, die uns als Menschen treffen, sind von der Ordnung des Signifikanten. In die Sprache, wie wir sie verwenden, eingeschrieben. Der Mut, der notwendig ist etwas auszusagen, wenn es auch nur im Halbsagen geht, verändert. Die Arbeit ein schwer zu Sagendes zu artikulieren, gibt uns eine Präsenz für einen wesentlichen Moment im Akt. Dem Sprechakt, oder auch im künstlerischen Akt.

Die Nagelobjekte von Michl Herberstein geben Zeugnis von der gesuchten und immer ein wenig verfehlten Begegnung mit dem Ding, die uns alle angeht.

Essay von Dr. Karin Brunner

FA für Psychiatrie/Neurologie, Psychoanalytikerin